Schriftenreihe band vier: Artist in residence
Orte – Räume – Athmosphären
Kabel und Korken, Klebebänder, Folien, Schnüre, Schläuche — fragile Augenblickskonstruktionen aus Draht und Stäben, punktuell von farbigen Akzenten durchwirkt. Als diese kleinen, plastischen Ereignisse sind sie Teil eines größeren Gefüges — einer von Kindern, Künstlern und Künstlerinnen inszenierten Landschaft.
Im Projekt ,Artist-in-Residence` (2014-2016), von Kirsten Winderlich und Nick Ash an der Universität der Künste Berlin initiiert, verzichten die eingeladenen Kunstschaffenden auf ein aktives Unterrichten. Stattdessen arrangieren sie Materialien und Objekte so, dass von den fragmentarischen Setzungen ein Anreiz ausgeht, damit zu hantieren, zu spielen, das Vorgefundene zu verändern und zu transformieren. Leere und Fülle, unbesetzter Raum und Material lassen einen ‚Ort’ entstehen, der als inszenierter zum Handeln einlädt und — in Anlehnung an Martina Löw— Raum als relationale Erfahrung immer wieder neu konstituiert.
Das lebendige Zusammenspiel von theoretischer Fundierung (Kirsten Winderlich), dichter Beschreibung (Nick Ash), Reflexionen und Betrachtungen der Beteiligten zeigt, wie Kunstdidaktik von Handlungsräumen her neu zu denken wäre.
Welche Energie geht von einem Setting aus, das Wahrgenommenes — nicht Idee und Intention — an den Anfang setzt? Sensibel für das Körperliche, das Beseelt-Figurative entdecken die Kinder das Potential der Bricolage und lernen mit und von den Dingen. Einmal nicht der Last der Erwartungen an ein Werk ausgesetzt, erleben Kunstschaffende und Kinder, wie sich im Respons auf eine konkrete plastisch-räumliche Situation neue Erfahrungen auftun und der materialisierte Dialog in den eigenen Hervorbringungen weiterwirkt. Die Temporalität der Arbeiten hat etwas Befreiendes: Sie lässt eine Lust an repetitiven Handlungen, eine Freude am Kommen und Gehen verschiedener ästhetischer Muster entstehen. Fasziniert entdecken die Beobachtenden — der Lehrer, die Studentin — welche Intensität das Sinnliche eröffnet. Es ist „eine Intensität, die weiter reicht als alles, was als Bedeutung, Ziel oder Zweck vorgestellt werden kann” (Jean-Luc Nancy).
Mit ,Artist-in-Residence` ist ein Format entstanden, das die kontinuierliche Begegnung von Kindern, Künstlerinnen und Künstlern und Forschenden über einen längeren Zeitraum ermöglicht. Verankert in der ,grund_ schule der Künste, einem raumbezogenen Lehr- und Forschungsmodell, macht es (Selbst-) Bildungsprozesse beschreibbar: als ein Geschehen, das sich in Zeit und Raum, im Widerspiel mit den Dingen und im Austausch mit den Menschen vollzieht.
Ruth Kunz
erschienen in BDK-Mitteilungen 3/2017